Mittwoch, 25. April 2007
Es geht in die Verlängerung ...
... meines Aufenthaltes in dieser Perle Schlesiens, nein, was sage ich: Polens, wenn nicht gar ganz Mittel- und Osteuropas! Na gut, einige andere Orte würden wirksame Gegenargumente bringen können, aber Fakt ist, dass die Stadt einiges - und bald durch die Fußball Europameisterschaften in Polen und der Ukraine noch mehr - zu bieten hat.
Gerade deswegen ist es umso schöner, dass man meinem Bitten am Willy-Brandt-Zentrum nachgegeben hat und ich dort im Juni und Juli einen Praktikumsplatz erhalten habe. Das verlängert den Aufenthalt um immerhin einen Monat, noch dazu im Sommer! Strike!
In diesem Sinne: Fang' ich doch lieber gleich mal mit dem Essay schreiben an, sonst schaffe ich das vorher gar nicht mehr!

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Konsum! Konsum! Konsum!
Wroclaw erliegt dem allgemeinen Kaufrausch! Nichts wird mehr sein, wie es einmal war. Da, wo bis vor ungefähr einem Jahr noch ein angeblich sehr umfangreicher Wochenmarkt gelegen war, steht heute eine der neuen Shoppingmalls dieser doch so schönen Stadt. Zum Ende letzter Woche war es die "Pasaz Grunwaldzki", ab heute zudem noch die "Arkady". Ganz besonders Erstere, die Passage, kann sich dabei als der Tod jeglichen studentischen Lebens Wroclaws erweisen. Nur vierhundert Meter von dem Wohnheim entfernt, in welchem die Mehrheit der ausländischen Studenten lebt, hat sie eröffnet und bietet einfach alles. Klamotten noch und nöcher, Buchhanndlung, Lebensmittelmarkt, FastFood Ketten aller Herren Länder (vor allem eines Landes) und ein - im Augenblick noch nicht fertiggestelltes - "Multikino" mit 14 Sälen. Damit ist es nicht nur die größte Mall in der Stadt, sondern hat auch noch das größte Kino zu bieten. Allerdings haben sich die Betreiber schon mal schön zu Beginn selbst ins Bein geschossen, als sie es tatsächlich fertig brachten, noch am Tag vor der offiziell geplanten Eröffnung Radiospots auszustrahlen, die auf dieses Ereignis hinwiesen - nur um dann am nächsten Tag nicht zu öffnen! Damit nicht genug, nein! Man schaffte es sogar, erst zweieinhalb Wochen nach dem Termin zumindest die überwiegende Mehrheit der Geschäfte und die interne Technik soweit zu installieren, dass man eröffnen konnte. Mehrere kostspielige Klagen der Mieter liegen bereits gegen die Betreibergesellschaft vor.

Nun jedenfalls können alle Einwohner noch mehr shoppen. Noch mehr als ohnehin schon! Man weiß scheinbar gar nicht wohin mit dem Geld das man gar nicht hat. Steigerungen des Durchschnittslohnes und die besten Wirtschaftswachstumsdaten ganz Polens hin oder her: Es erscheint momentan nur schwer absehbar, wie viele dieser Zentren noch gebaut werden sollen. Vorerst müssen die bisherigen vier bzw. fünf in Wroclaw erst einmal reichen. Der bisherige (zumindest optische) Marktführer, die Galeria Dominikanska, könnte ganz schweren Zeiten entgegengehen. Viel kleiner als die neuen Malls und noch dazu mit nicht ganz so tollen Geschäften und einer ohnehin besonders unangenehmen Atmosphäre gesegnet, muss man dort wahrscheinlich noch viel stärker auf das Alleinstellungsmerkmal einer absoluten Zentrumsnähe setzen. Gegenüber der Glasfront der "Pasaz" (gesprochen "Pasasch") hat sie zumindest schon vor Wochen drei verdammt große Plakate an einem Wohnhaus angebracht mit der fast schon beruhigend klingenden Aufschrift: "Wir sind ganz in der Nähe!"

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Donnerstag, 19. April 2007
Fliegende Katzen (nicht lustig)
Nur eine Woche war man weg, und schon scheint alles, was man bisher konnte wie weggeblasen! Wo ist mein Polnisch? Jetzt - also seit gestern - habe ich langsam wieder das Gefühl, so viel sprechen und verstehen zu können wie es vor Ostern der Fall war. Das war zwar auch nicht sooo viel, aber immerhin. Das Wetter schlägt derweil einen Zickzackkurs ein. Eben noch warm bis 25°C, dann plötzlich wieder Tendenz gen Null. Da soll einer draus schlau werden, ts ts ts.
Jedenfalls scheint dieses Hin und Her die Hirne einiger weniger Menschen ganz besonders geschädigt zu haben. Soweit sogar, dass sie meinen es sei unglaublich lustig und sinnvoll Katzen in die Oder zu werfen. Lebendige. Gestern traf ich mit Sara wir auf ein ausgwachsenes Exemplar derartiger Gesinnung. Eine kurze Ausholbewegung, ein fliegendes Etwas, ein dumpfer Aufschlag auf dem Wasser, ein krankes Lachen. Wir beide völlig geschockt, nicht wirklich sicher ob das, was wir da eben hatten fliegen sehen, wirklich das war wofür wir es hielten. Eine Katze? Eine ziemlich verzweifeltes Miauen zwei Meter unter uns im Wasser bestätigte die erste Frage und erübrigte die zweite, ob es denn ein lebendiges Tier war. Immer noch regelrecht gelähmt standen wir da und überlegten, wie da runter kommen. Zum Glück für die Katze und unser Gewissen hatte just in diesem Moment auch ein Mann in der Nähe die Situation blitzschnell erfasst, kannte zudem einen Weg ans Wasser und holte das Tier heraus. Glück gehabt.
Der Verursacher all dieses Wirbels war derweil über alle Berge.
Nebenbei bemerkt lernten wir zumindest, dass sich Katzen ähnlich wie Hunde glücklicherweise eine Weile ganz gut über Wasser halten können - und dass wir scheinbar nicht zu Helden des Alltags taugen. Wobei man Sara mit einer starken Erkältung entschuldigen muss.

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Mittwoch, 4. April 2007
Wielkanoc
Ostern rückt näher und ganz Polen ist in Aufruhr ... na ja, zumindest merkt man auch hier, dass das Thema präsent ist und wie man hört, werden für den Gottesdienst am Gründonnerstag schon mal anderweitige Treffen abgesagt. In Polen heißt Ostern (warum eigentlich nicht "Western" oder "Südern" - alte Frage aus der Kindheit; nie beantwortet) schlicht "Wielkanoc", also ungefähr "Große Nacht". "Groß" in der Bedeutung von "großartig". Man munkelt es soll vor nicht ganz zweitausend Jahren jemand aufgestanden sein, von dem man das nicht mehr gedacht hatte. Schon komische Sitten in unserem Kulturkreis! Die Feierlichkeiten werden in Polen durchaus mit Ernst betrieben und keiner wird dabei vergessen. Im Sprachkurs gab es heute sogar einen speziellen Kuchen: "baba wielkanocna" - "Großmutter Ostern", angeblich wegen der Falten im Kuchen) Lecker, aber leider habe ich nicht wirklich verstanden, ob es eine allgemeine Tradition ist, derartige Gebäcke Lehrern zu schenken, damit Letztere Erstere zusammen mit ihren Schülern verspeisen können.
Wohl eher nicht. Aber trotzdem schön!

Außerdem haben wir heute einfürallemal klargestellt, dass katholische Priester in Polen keine Partnerschaften mit Männern wie Frauen haben dürfen, auch nicht geduldete inoffizielle. Aber natürlich, meinte zumindest unsere Lehrerin, haben einige Geliebte (kochanka)! Luise fand das nur schwer nachvollziehbar, aber es war nicht dran zu rütteln. Deswegen konnten wir beim lustigen Beruferaten im Sprachunterricht auch nicht auf die Fragen antworten, ob Priester genug Zeit für ihre Familie haben und was sie im urlaub machen. Allerdings sind auch da Lösungen denkbar. Erstmal ist die Familie des Priesters seine Gemeinde und Urlaub haben sie auch! Davon war Luise nicht abzubringen. Andererseits dachte ich immer, der Dienst in der Sache Gottes kenne keine Pausen und würde nie enden. Wozu sollte es sonst so etwas wie die Ewigkeit überhaupt geben? - Richtig! Gott braucht einfach immer qualifizierte und unqualifizierte Arbeitskräfte! Schön. Hätten wir auch das geklärt.

Frohe Ostern!

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Freitag, 30. März 2007
Start spreadn' the news/ She's leaving today
Tante Heinz haut ab und lässt das Elend hinter sich, nur um nach Magdeburg wahlweise nach Tonnenheide zu gehen! Schön für sie. Wir aber müssen von nun an allein ins Kino gehen und haben niemanden mehr, der sich angeekelt wegdreht, wenn zum Kuss angesetzt wird. Schade!
Wroclaw wird wieder ein bisschen farbloser ohne sie (Schleim, schleim, schleim!) und besonders pani Malgorzata hat ihre vielleicht wichtigste Bezugsperson verloren.

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Sonntag, 25. März 2007
Kultur ... und kein Ende in Sicht
Ein Wochenende ganz im Zeichen der Kultur. Wobei man fairerweise erwähnen sollte, dass Niveau keine Rolle spielte. Nachdem Yann Tiersen am letzten Sonntag einfach ein bisschen zu anstrengend gewesen war - zu viel Synthesizer und Gitarrenriffs -, musste am Freitag erst einmal wieder Kino sein. Das Niveau hatte sich nicht mir in den Saal getraut, weshalb der Film ebendieses auch komplett vermissen ließ! "Testosteron", so der Titel dieses polnischen Meisterwerkes subtilen Humors. OK, ein paar Flachwitze haben auch wir verstanden - vor allem Anja und Insa - aber die hatten meistens damit zu tun, dass die Deutschen wieder an irgendwas schuld waren. Die Polen im Kino fanden's jedenfalls total klasse. Besonders eine Dame war so mitgenommen, dass sie den halben Film - immer dann, wenn eine Pause im Dialog war - ergänzen musste. Leider hab' ich auch hier nur wenig verstanden. Aber die Polen fanden's lustig. Immerhin. Höhepunkt des Filmes war dann der kollektive Eiervergleich der sieben Hauptdarsteller. Frauen kamen nur am Rande vor und waren eh böse, machtgeil oder beides.
Samstag dachten sich die Damen dann, dass derart schlechter Geschmack nur mit wirklicher Kultur im Sinne von intellektueller Unterhaltung gekontert werden könne. Das Ergebnis waren Fragmente von Samuel Beckett im berühmten Puppentheater von Wroclaw. War auch sehr gut gemacht, aber keiner von uns hatte das notwendige Sitzvermögen und die entsprechenden Polnischkenntnisse, um der Bedeutung des Stückes wirklich nahe zu kommen. Folglich waren wir nur zum Ende sehr enthusiastisch. Raus hier! Wasser! Frische Luft!
In diesem Zustand der geistigen Überforderung konnte man allerdings unmöglich verharren! Guter Rat war teuer, doch ordentlich wie wir sind, existierte bereits Plan B. Und der hieß "Prosto w Serce" (Mitten ins Herz), zu Englisch: Music and Lyrics, mit der Inkarnation des flachen Humors: Hugh Grant! Man kann ihn hassen oder lieben, in besagtem Film ist er schlicht göttlich! Genau das Richtige, um nach Beckett wieder einen klaren Kopf zu bekommen :-) Der Film war (bewusst) so schlecht gemacht, dass man ihn einfach schon wieder gut finden musste. Besonders wenn man sich über hüftschwingende Mitvierziger in zu engen Hosen amüsieren kann. Wir fanden es jedenfalls klasse. Genauso wie die Polen hinter uns.
Der Ansatz zum kulturellen Overkill folgte am Sonntag, doch gleich den ersten Programmpunkt - das Muzeum Narodowe - wurde bereitwillig zugunsten eines Spazierganges und eines Besuches im alten Rathaus gestrichen. So toll war es zwar leider auch dort nicht, aber ein Eis (keine Vanille!) konnte die Stimmung wieder heben. Jedoch war Tante Heinz nach dem Rückschlag im Kino - kein "Madame Henderson presents" - dergestalt entmutigt, dass sie aufgab und sich gen Brochow schlich. Aus diesem Grunde verpasste sie denn auch Klezmer in der Synagoge. Relativ teuer, aber den Eintrittspreis mehr als wert! Kleine Sängerin mit unglaublich großer Stimme! Ein würdiger Abschluss allemal ...

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Dienstag, 6. März 2007
Politisch nicht ganz korrekt ... aber lustig!
Zumal von einem unzweifelhaften Polen erzählt! Das Folgende entspricht weder der Meinung des Autors noch ist es seine Schöpfung. Er gibt ausschließlich wieder, was einst in einer "Polish Foreign Policy" Vorlesung vom polnischen Dozenten geäußert wurde.

Die drei Kardinalslügen eines polnischen Studenten:
1) Morgen, höre ich auf zu trinken!
2) Morgen, fange ich an zu lernen!
3) Nein Danke! Ich bin nicht hungrig!

Das wollte ich nur mal gesagt haben. Auch wenn dieses Bild nicht wirklich der Wahrheit entspricht, da viele Studis hier nicht allzu viel Zeit zum Trinken haben, bei all der Arbeit, die sie bewältigen müssen.

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Freitag, 2. März 2007
Polnisch, oho!
Gestern war es soweit! Ich war endlich Teil des echten Studentenlebens in Wroclaw: ich war in zwei polnischen Vorlesungen! Genial, auch wenn es schon tausende Andere vor mir gemacht haben. Ich habe so gut wie nichts verstanden, na ja, zumindest nur 30 % oder so, aber es hat sich irgendwie gut angefühlt. Wenn man das überhaupt so sagen kann?! Immerhin konnte ich mir einige Zusammenhänge erklären, da es um Parteiensysteme sowie später um das politische System Polens ging. Die Hörsäle waren randvoll und ich der einzige Ausländer, so schien es zumindest. Mucksmäuschenstill diese süßen kleinen Viertsemester! Selbst den Prof der ganz leise geredet hat, hat man wunderbar (ich natürlich überwiegend nur akkustisch) verstanden.
Hundertprozentig mitgekriegt was Phase ist habe ich nur in der Situation, als ein Dozent beschwingten Schrittes erst den Raum und das Podium enterte, erst fröhlich und dann skeptischer werdend in die Runde blickte und schließlich fragte: "In welchem Jahr sind sie?" Ein kollektives "Drugi" (Zweites) hallte ihm entgegen (es war wirklich kollektiv, klang fast wie eine einzige Stimme). Darauf die fröhliche Antwort: "Sie müssten aber eigentlich aus dem ersten Jahr sein." Sprach's und verließ im allgemeinen Gelächter jubliierend den Raum. Eine nette Art festzustellen, dass man sich im Raum geirrt hat, war es allemal.
Später am Tag gab es noch ein Treffen mit am kulturellen Austausch mit Deutschen interessierten polnischen International Studies Studenten. Die Tandemfrage nähert sich hoffentlich bald ihrer Beantwortung!
Ansonsten war eigentlich alles wie immer: Hasch geraucht, Wodka getrunken und unschuldige wehrlose Schulkinder abgezogen. Nichts besonderes.

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Montag, 26. Februar 2007
Poznan
Heute mal was langweiliges ;-) und kein Arte Themenabend zu Namen und anderen Schwierigkeiten. Es beginnt die Phase des Herumreisens in Polen, um zu sehen, was noch fehlt vom Land. Den Anfang machte am Freitag das schöne Poznan/Posen. Da war es zuallererst mal schön kalt!!! Ganz besonders kalt, wenn man bei minus sechs Grad in einem Plattenbauviertel am Rande der Stadt auf einer windigen Freifläche auf einen Bus wartet, der gerade ein paar Minuten weg ist und erst wieder in einer halben Stunde kommt. Das ist schön, aber auch nicht zu ändern.
Poznan selbst jedenfalls ist sehr schön, vor allem der Rynek. Kleiner als in Wroclaw hat der irgendwie mehr Charme. Auch weil er im Stil der italienischen Renaissance gestaltet wurde. Das zumindest hat man mir erzählt. Aber trotzdem bleibt man wieder mit dem Gefühl zurück, dass alle Ryneks in den wichtigen polnischen Orten das Rathaus umgeben von Krämerhäusern in der Mitte haben. Doch der Romantik nicht genug, am Samstag - nach einer ausgedehnten Nacht an den leider recht dünn gesäten partylocations dieser schönen Stadt - verschlug es Insa und mich dann sogar in ein im englischen Landhausstil eingerichtetes Café. Kitschig, kitschig, aber der Käsekuchen und die heiße weiße Schokolade waren extrem lecker. Da akzeptiert man auch mal Rynekpreise. Kurz zuvor trafen wir nochmals unsere Gastgeberin der vorherhgehenden Nacht, Steffi, die ein Kleidungsstück von Sarah und Markus Digicam vorbeibrachte, die die beiden bei ihrer Abreise zwei Stunden zuvor vergessen hatten. Schwerer wog da schon, dass die gute Sarah auch ihren Personalausweis und ihren Reisepass in Wroclaw vergessen hatte und auf "kreative" Weise nach Deutschland (Berlin für ein paar Tage) einreisen musste. Wie, das wird hier nicht verraten. Außerdem ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, ob es auch wirklich geklappt hat ... aber wir hoffen das Beste.

Wenn Schlafsäcke reisen ...

Und zum Schluss: Schlafsäcke!

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Mittwoch, 21. Februar 2007
Marcin, Ewa, Iwona und all die Anderen
Namen, besonders aber Vornamen, dienen dazu, Menschen auch ohne ihrer stets angesichtig sein zu können zu unterscheiden, über sie zu berichten, ohne ihr Bildnis zeigen zu müssen, ihnen Briefe zu schreiben, die sonst niemand lesen soll. Vornamen sind ein Ausdruck eines gewissen Maßes an Individualität. In Deutschland hat man diese Lektion bereits hervorragend verstanden und gibt seinen Kindern Namen, die bereits von Beginn an deren spezielle Eigenschaften können, die sie entwickeln werden darstellen und zugleich aber nicht die traditonellen Namenskanon der Region, zumindest aber des Sprachraumes nicht verlassen. Demzufolge gehört Deutschland, zumindest Thüringen, seit einiger Zeit zum englischsprachigen Raum. Aus diesem Grunde ist auch keinesfalls verwunderlich, dass man dem doch recht eindeutigen Nachnamen Meier die nicht minder - aber anderweitig - eindeutigen Namen Jason Kilian voranstelle.* Auch Lucian ist ein ursprünglich aus der Gegend stammender Begriff, es hat ihn bloß vorher noch niemand verwendet. Und welche Eltern träumen nicht davon beim Rufen ihres Kindes eine ständige Referenz an den Herrn der kochenden Töpfe in der Unterwelt (a.k.a. Teufel a.k.a. Luzifer) mitschwingen zu lassen. Thrilling, isn't it?
Ähnliche Motive müssen Menschen bewegt haben, als sie ihrem Kind den klangvollen Namen Luke Jesse Frick verpassten? Zuviel "Gilmore Girls" gekuckt und den Namen Jess falsch aufgeschrieben?
Liebe würde ich jedenfalls selten als ernsthafte Ausrede gelten lassen. Selbstverwirklichung gepaart mit ernsthafter partieller oder gar noch weiter reichender geistiger Umnachtung kommt der Sache meiner Meinung schon eher näher. Die Verwirklichung von Vorstellungen, die sich in shit fucking and sucking old Thüringen und Umgebung nicht verwirklichen lassen, auch wenn, sehr unwahrscheinlich, Jesse irgendwann mal den "StarSearch", "DSDS" oder "Big Brother" gewönne und sich ein anglizierter Vorname ganz gut verkaufen ließe. Aber bis dahin und selbst danach klingt der Aufruf "Schindler, Emily Joell" beim Arzt und anderswo einfach scheiße! Oder soll Kassandra Alycja Höhne in irgendeiner Form auf mögliche Vorfahren im indischen Raum und Polen - zwei einander unmittelbar beeinflussende Kulturkreise (!) - hindeuten? Man weiß es nicht ...

Warum schreibe ich das eigentlich? Dumme Frage: Weil es auch keine Lösung des Problems in Polen ist! Fragt man hier nach Vornamen hat man statistisch gesehen eine extrem gute Chance, den Vornamen zu erraten. Anders als die Deutschen mit ihrem gottverd... Individualismus, der aus allen Nähten zu platzen droht, setzt man hier noch auf Kontinuität. Etwas zu stark sogar. Wo man auch hinschaut, alle Welt heißt Marcin, Jerzy, Pawel (der mit den Polnischen l, das mein Programm nicht mag!), Michal, Rafal, Radoslaw (alle ebenso), Andrzej, Stefan, Jan, Kazimierz (eher die Älteren) und Piotr. Das Ganze dann noch mit Diminutiven versetzt ergibt eine stark vorhersehbare Mischung. Bei den weiblichen Entsprechungen ist auch nicht anders. Maria, Marta, Magda, Malgorzata (schon wieder das L!), Anna, Ania, Alicja, Linda und so weiter. Der schönste und bisher mit Anstand am häufigsten gehörte Name ist immer noch: Iwona! Gefühlt jede dritte Polin die man kennenlernt trägt diesen unverwechselbaren Namen. Warum? Der einzige mir plausible Grund kann nur das deutsche Beispiel sein. Denn ein Luke Jesse Krzeminski oder eine Beyoncé Jaroslawska wären der Untergang des Polens wie wir es heute kennen. Und solange es Lech, Jaroslaw, Andrzej und Roman das Zepter schwingen können wird das auch (so zumindest) nicht passieren. Nichts anderes dürften auch ihre Wähler im Sinne gehabt haben als sie das Kreuz machten. Welches, das sei hier dahin gestellt, es macht keinen Unterschied.
Gott segne Polen! Falls er es bisher vergessen haben sollte.
* Alle Nachnamen geändert. Authentisch aber sind die Vornamen. Leider.

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