Donnerstag, 5. Oktober 2006
Hosenkauf ist Vertrauenssache!
Der erste Sprachkurs liegt hinter uns, der nächste hat begonnen. Seit gestern sind wir an der "Schule für Polnische Sprache und Kultur für Ausländer" der Universität untergebracht. Das Ganze findet in einem barocken Prachtbau direkt an der Oder statt und wirkt mehr wie ein Schloss als wie eine Lehranstalt. Der Kurs ist leider etwas größer als in den letzten zwei Wochen. In meinen Kurs, die schlechtesten der Fortgeschrittenen, sind noch gut zehn Kasachen eingegliedert worden. Das sagt erst mal gar nichts, aber die Jungs und Mädels haben zumindest gestern die auf Dauer etwas unsympathische Angewohnheit an den Tag gelegt, immer und überall, wo sie was zu wissen glauben, reinzurufen. Dummerweise nervt das irgendwann und noch viel blöder ist: es war meistens falsch!
Aber wir werden sicherlich noch dicke Kumpels ...
Der Tag war ohnehin voll von Uni, weshalb ich vielleicht bloß ein bisschen überempfindlich war. Die lectures auf Englisch machen alle einen ganz guten Eindruck, ein paar Dozenten verfügen zudem über sehr eigenwilligen aber umso besseren Humor. Beispiel "Polish Foreign Policy": Unser Dozent hat nur ein Blatt mit dem Seminarplan. Die dummen deutschen Studenten - von denen ich mich nur an dieser einen Stelle einmal ausnehme - glauben, er werde es ihnen aber schon noch kopieren. Nur Philipp ist von Grund auf skeptisch, man kann auch pessimistisch sagen, und macht eine halblaute, englische resignierende Bemerkung von wegen: das müssen wir wohl selbst kopieren! Fragt der gute man mich prompt: Where're you from? - Germany?! - But you're of Polish origin! Otherwise you wouldn't know. - No, but I'd like to be of Polish origin. - Why??? - To speak a better, fluent Polish?! - I don't understand you, I'd prefer to be a German. Maybe we can change our passports?!
Sagen wir's mal so, ich fand es verdammt ungewöhnlich mit einem Dozenten eine solche Unterhaltung zu führen, zumal er meinte - angesichts 70 % deutscher Studenten in seinem Kurs - er gebe keine guten Noten an Deutsche, weil sie 1939 Polen angegriffen hätten. Worauf ihm allerdings immer geantwortet werde, dass, falls er keine Noten an uns vergeben würde, die Deutschen Polen wieder angreifen würden. Das, so meinte er, sei ein überzeugendes Argument. Unsere ECTS-Points sind also erst mal sicher!
Ah ja ...

So kann es zugehen zwischen Polen und Deutschen. Geht aber auch anders. Das durften ja diverse Leute schon erfahren. Entweder wird man im Club fast verschlagen, weil man polnische Frauen antanzt oder aber man gerät in die Fänge der Ordnungsmacht. Und da diese sich nach Aussagen von Eingeborenen noch profilieren zu müssen glaubt, um den Vorwurf der alles durchziehenden Korruption abzustreifen, lässt sie sich mit Vorliebe mit Gesetzen gegen Alkohol im öffentlichen Leben ausstatten und greift dann hemmungslos zu.
In der Öffentlichkeit zu trinken geht gar nicht. Das macht noch irgendwie Sinn und ist zu ertragen. Im Winter ist es in Kneipen ohnehin schöner. Aber dass der Alkoholgehalt von 0,25 Promille bereits einem Straftatbestand entspricht, das war sogar vielen Polen neu. Eine von uns musste jedenfalls die vorletzte Nacht in einem polnischen Gefängnis verbringen, in einer Zelle mit einer wirklichen Alkoholikerin. Das Vergehen der armen Erasmus-Studentin: mit 0,27 Promille auf dem Fahrrad und einer Tschechin auf dem Gepäckträger über den Rynek (Hauptmarkt) gefahren zu sein. Ganz blöd war, dass sie es eigentlich nur ausprobiert hatten und nur auf dem Markt, wo keine Autos fahren, radeln wollten. Aber genau da patrouillierte leider auch die Stadtpolizei! Jetzt hat die Gute einen Strafprozess am Halse, der wohl ein wenig Zeit und Geld kosten wird und zudem die Gewissheit, im Wiederholungsfalle gleich mal für acht Monate in den Bau zu wandern. Sozusagen eine unfreiwillige Aufenthaltsverlängerung.
Jetzt machen wir schon wieder Witze, aber vorgestern war es uns nicht so egal. Zumal Sarah und ich ebenfalls kurz vorher erwischt wurden. War irgendwie unwirklich, weil wir eben nicht wirklich angetrunken waren. Sarah landete aber trotzdem knapp unter der Bußgeldgrenze (0,2 Promille), ich gar nur bei 0,12. Die fettigen frytki am späten Abend waren meine Rettung!!!
Aber auf jeden Fall durften wir uns mit zwei polnischen Polizisten mehr oder weniger angeregt über die besten polnischen Biere (Zywiec! Und Piast eigentlich auch) austauschen und ließen ihnen auch gleich noch die Namen unserer Eltern da! Wenn das mal keine völkerverbindende Maßnahme war! In diesen lustigen Alkomat mussten wir auch noch, zum ersten Mal im Leben, pusten. Aber bei uns war ja alles im Lot. Danach durften wir unbehelligt weiter fahren. Nur haben sie jetzt halt unsere Daten von den Personalausweisen.

Nur Katastrophen also. Das Internet im Wohnheim funktioniert auch nicht, zumindest ab Stockwerk acht bis hoch ins 16. Dumm, dass ich heute oder morgen im 14. mein Einzelzimmer kriegen soll. Denn mein zwischenzeitlich gesperrter Mac darf jetzt wieder ins Netz.
Außerdem muss die Luft hier komisch sein. Ich habe es nämlich geschafft, dass drei meiner vier Jeans im ... ich wage es kaum zu sagen ... im Schritt gerissen sind. Kurwa! Weiß nicht, wie das passieren konnte. Vielleicht ist mein Fahrradsattel so hart?! Deswegen war ich gestern endlich mal Hosen kaufen, zum Glück unter fachkundiger weiblicher und - falls sie es lesen muss ich natürlich noch ein bisschen charmieren (zumindest versuchen so zu tun) - höchst angenehmer Begleitung. Jetzt kann ich endlich wieder in die Öffentlichkeit gehen, ohne Angst haben zu müssen, dass mir beim Absteigen vom Rad was reißt. Hosenkauf ist und bleibt eben Vertrauenssache!

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